kleidsame Idee: Anja Höhn und Ingrid Rother / Wortschneiderin: Ingrid Rother

MYTHOS FREIARMNÄHMASCHINE

Manche Mythen halten sich nachhaltig. Wer von euch erinnert sich nicht an den als Kleinkind ungeliebten Geschmack von Spinat? Aber die meisten Mütter kannten da so gar kein Pardon.

Ich erinnere mich an Sätze wie „das ist ein ganz gesundes Gemüse“. Nachdem zu meinem Überdruss noch eine Comicfigur namens Popeye Reklame für Spinat machte, glaubte ich es irgendwann dann selbst und aß meinen Teller leer.

Viele Jahre später las ich dann, dass der damals bestimmte hohe Eisengehalt auf einen Kommafehler beruhte nicht 29mg sondern lediglich 2,9mg Eisen pro 100 Gramm Spinat.

Was hat das nun mit einer Freiarmnähmaschine zu tun?

Auch hier werden wir Opfer der Marketingstrategie. Es wird suggeriert, dass das Nähen rundgeschlossener Kleidungsstücke wie z.B. Ärmel und Hosenbeine oder das Annähen von Futter an einem Ärmelsaum mit einer Freiarmmaschine einfacher geht.

Das veranlasst(e) viele NäherInnen ihre alte Nähmaschine in die Ecke zu stellen und sich eine neue zu kaufen, hoffend, dass das Nähen hiermit einfacher ist. Papperlapapp, sage ich da nur. Getreu dem Motto: Wir haben die Lösung ihres Problems lancierte die Industrie mit viel Tamtam die Freiarmnähmaschine als „Must have“.

Wenn ihr mich fragt, es fehlte an der Bereitschaft HobbyscheiderInnen durch Demonstration die passende Nähtechnik beizubringen. Man hat künstlich einen Bedarf geweckt um neue Absatzmärkte zu schaffen. Und was ist wenn der Ärmel oder das Kinderhosenbein einen kleineren Umfang als 27 cm hat, damit gar nicht über den Freiarm zu ziehen ist?

Ich selbst arbeite seit nunmehr mehr als 25 Jahren auf einer gebraucht gekauften JUKI Industrienähmaschine, ohne Freiarm freilich…

Und ich nähe vom T-Shirt über Abendgarderobe bis Brautkleid wirklich alles mit dieser einen Maschine.

Eine Overlock ist allerdings für die schöne Versäuberung von Nähten eh unverzichtbar.

Viel ausschlaggebender ist die Qualität der Nähmaschine selbst. Ich habe schon KursistInnen gehabt, die mit dem Nähergebnis ihrer neuen Nähmaschine nicht zufriedener waren als mit dem der Alten. Weil hier der Stofftransporter nicht richtig arbeitet, die Fadenspannung immer differiert je nach Stoffdicke, der exakte erste Einstich nicht wirklich gut zu erkennen ist, weil das Nähfüßchen zwar aus Plexi hergestellt wurde, aber die Spiegelungen der Kanten das Auge nur unnötig anstrengen. Ganz abgesehen vom Motor, der für eine gleichmäßige Geschwindigkeit ausschlaggebend ist.

Aber es gibt ja die Bucht mit dem E. Da sucht die neue gegebenenfalls einen neuen Besitzer, die alte wird entstaubt und einer ordentlichen Inspektion durch einen Nähmaschinenmechaniker unterzogen. Durch den Trend zum Neukauf sind Letztere leider rar gesät. Von Luft und Liebe lässt sich eben doch nicht ausschließlich leben.

Übrigens wird bis heute in der Nähindustrie nicht mit Freiarmnähmaschinen genäht.

Ja, alle meine KursistInnen lieben meine gute alte JUKI. Haben sie einmal im Kurs darauf nähen dürfen, sind sie von ihren Ergebnissen ganz angetan.

Klar benötigt man auch eine Haushaltsnähmaschine z.B. für Knopflöcher oder für die Mitnahme zu einem Nähkurs. In den von mir angebotenen Nähkursen stelle ich genügend Maschinen zur Verfügung.

Im Video könnt ihr euch selbst ein Bild machen. Ich habe ein wirklich kleines – ca 8cm großes –

rundgeschlossenes Teil zum Säumen genommen. Probiert es mal aus und teilt gerne eure Erfahrungen mit mir.